Skip to content

COSIMA BERLIN: Altes Kino im neuen Glanz

Eines der ältesten Filmtheater Berlins sollte überleben und hat nach dreijähriger Pandemiepause seit Juli 2023 unter neuer Leitung wieder geöffnet.

Foto: © Elisabeth Nagy

Nicht nur die zunehmende Menge an Streamingdiensten hat dem Kino zugesetzt und mancherorts das Kinosterben beschleunigt, auch die Sperrzeiten während der Corona-Pandemie haben einige Filmtheater nicht überlebt.

Zahlreiche Blockbuster-Multiplexketten nutzten dagegen die strengen Abstandsregelungen während der Pandemie für Renovierungen, um mit neuer und ofmals halbierter Bestuhlungsanzahl, höhere Bequemlichkeit vorzuteuschen. Dafür konnten danach die Eintrittspreise drastisch angehoben werden.

In Berlin Friedenau, einem Stadtteilbezirk von Schöneberg, im Dreieck von Steglitz und Wilmersdorf gelegen, schlummerte während der Pandemie das geschlossene Kiezkino COSIMA vor sich hin. Der alte Betreiber hat die Pandemie nicht überlebt, ein Nachfolger war aber bereits auserkoren.

Foto: © BAF e.V.

Allerdings musste die gesamte Elektrik für eine zertifizierte Wiedereröffnung auf Vordermann gebracht werden, was eine Totalsanierung nach sich zog. Karlheinz Opitz, der schon seit vielen Jahren in Berlin-Wilmersdorf das EVA-Kino betreibt, ist nun stolzer Besitzer auch des COSIMA, denn mit einer Leinwand allein lässt sich heute kaum noch ein Kinobetrieb wirtschaftlich führen.

Foto: © BAF e.V.

Unterstützung erhielt er von der Hausbesitzerin, die zwar nicht in Berlin lebt, aber aus einer Kinofamilie stammt, wie uns zur Neueröffnung Anfang Juli 2023 in einem Kurzfilm erklärt wurde. Dieses Erbe und die einstige Bekanntschaft zu Max Knapp, dem Erbauer des ehemaligen Filmpalastes am Ku'damm und erster Betreiber des Berliner Zoo Palastes in den 1950er Jahren, waren offensichtlich Beweggrund genug, auch das Friedenauer Kiezkino zu erhalten.

Gern lassen wir nun Elisabeth Nagy zu Worte kommen, die sich in Friedenau genauer auskennt und noch einiges mehr zu erzählen hat.

Das COSIMA - Nicht nur ein Kiezkino.

"Zur Zeit Außer Betrieb" stand auf der Anzeigetafel im April 2020. Die Covid 19-Pandemie hatte das öffentliche Leben zum Erliegen gebracht. Im ersten Lockdown blieben die Kinos geschlossen. Im Juni 2020 sah es schon anders aus: "Eröffnung Juli".

Das sollte sich als prophetisch erweisen. Nach dem ersten Lockdown ging der Betrieb weiter. Allerdings, nicht die Pandemie spielte dem Traditionskino übel mit, sondern die Politik und nicht zuletzt auch die Presse, Teile der Presse. Jetzt, im Juli 2023 eröffnet das Cosima tatsächlich wieder, nach einer Komplettsanierung, mit neuer Bestuhlung, einer neuen technischen Installation und mit frischem Elan. Am 1. Juli 2023 lud der neue Betreiber, Karlheinz Werich-Opitz, zu einer kleinen Kiezfeier, bei der man kurz in den Betrieb reinschnuppern konnte. Sogar die Besitzerin Cornelia Bettenhausen, der das Kiezkino stets am Herzen lag, war anwesend. Befreundete Kinobetreiber aus Wilmersdorf (Bundesplatz Kino) und Charlottenburg (Astor Film Lounge und Filmkunst 66) schauten vorbei.

Die Geschichte, woher das Cosima Kino seinen Namen hat, ist Friedenauer Lokalgeschichte. Die allerdings reichte einst über die Ortsteilgrenzen hinaus. Das Areal an der Ringbahnstation Wilmersdorf-Friedenau (heute Bundesplatz) zwischen der heutigen Bundesallee (einst Kaiserallee), der Sarrazinstraße (früher Bismarckstraße) und Varziner- und Handjerystraße wurde nach einem Jahrzehnt der Planung und Ausführung wenige Jahre vor der Jahrhundertwende der Sportpark Friedenau eröffnet. Sportplatz und Tennisplätze und Schießstände und dergleichen wurden mit Clubhaus, Grotten, Pavillons und Seeanlagen zu einer Attraktion geschnürrt, das rund ums Jahr geöffnet hatte. Zu Weltruhm brachte es die Radrennbahn. Hier fand der "große Preis von Berlin" und sogar auch mal der "große Preis von Europa" statt. Doch nichts ist für die Ewigkeit. Wenn im Sportpark nichts los war, fuhr auch die Bahn seltener und irgendwann verebbte die Aufregung. Nicht einmal zehn Jahre umfasste diese Epoche.

Das Areal wurde an die Berlinische Boden-Gesellschaft verscherbelt, sozusagen Investitionsgut, es wurden Wohnhäuser aufgezogen, daraus entstand das sogenannte "Wagner-Viertel". Zuerst wurden die Straßen nur alphabetisch aufgestellt, Von Platz G und Straße A bis F. Der zentrale Platz wurde der Wagner-Platz, aus der Straße F die Sieglindestraße. Isolde, Brünnhilde, Eva, Senta, Ortrud, die Straßen erhielten die Frauennamen aus den Opern von Richard Wagner. Der Wagner-Platz war jedoch kein Unikat. Davon gab es auch andernorts welche. Folglich wurde, kaum war Cosima Wagner, Tochter von Franz Liszt und in zweiter Ehe mit Richard Wagner verheiratet, gestorben, der Platz 1935 in Cosimaplatz umbenannt. Gleich ums Eck, hieß das neue Kino folglich Cosima.

Eine Aufstellung Berliner Kinos (1) nennt das Jahr 1935 als Geburtsjahr des Filmtheaters. Das Berliner Kino-Kompendium (2) dagegen nennt die Jahreszahl 1942. 1942 war das Jahr in dem Jacques Bettenhausen das Haus an der Ecke Isolde- und Sieglindestraße, direkt am Varziner Platz, kaufte. Bettenhausen hatte seine Karriere mit dem Verkauf preiswerter Bücher in Bahnhofshallen, zuerst im Dresdener Hauptbahnhof, begonnen. Aus einem Bauchladen wurde ein Kiosk, aus einem Kiosk eine Kette. Die Gewinne investierte Bettenhausen in Immobilien und auch in Kinos. In Berlin übernahm er die Kino-Kette Thomas & Co, zu der das Cosima gehörte. Als Cosima-Lichtspiele wurde das Kino, so führt es der lokalhistorische Friedenau-Aktuell-Blog (3) auf, 1943 in den Adressbüchern geführt.

Den zweiten Weltkrieg überstand das Kino gut. Sogar der geschwungene Schriftzug in grüner Leuchtröhre ist noch das Original. Zuerst wurde das Cosima treuhänderisch geführt. Das Urgestein der Berliner Kinobetreiber war sicherlich Lothar Bellmann. Er hatte das Cosima von seiner Mutter in den 60ern übernommen. Bereits mit 80 Jahren hochbetagt, sollte und wollte Bellmann das Kino eigentlich in jüngere Hände abgeben. Seine Wahl fiel auf Karlheinz Werich-Opitz, der das Wilmersdorfer Kino Eva-Lichtspiele betreibt. Und doch konnte er nicht wirklich loslassen. Er wollte weitermachen, bis er nicht mehr könne. Woraufhin die Eigentümerin der Immobilie, Cornelia Bettenhausen, Enkelin von Jacques Bettenhausen, ihm wohl kündigte. Die Aufregung war groß und die Politik, in der Person des damaligen Bezirksverordneten Orkan Özdemir von der SPD, der sich für die Wahl ins Berliner Abgeordnetenhaus empfehlen wollte, trat sogleich kämpferisch für das Überleben des Kinos bzw. der Ehre seines Kinoleiters ein. Allerdings war nie die Rede davon gewesen, dass das Kino geschlossen werden sollte. Cornelia Bettenhausen war sich ihres Erbes sehr wohl bewußt und auch das Motto "Eigentum verpflichtet" sind für sie keine hohlen Worte. Das Kino in der Sieglindestraße 10, nur eines von zwei noch verbliebenen Kinos im Bezirk Friedenau (das andere ist das Neue Cinema in der Bundesallee), sollte nie abgewickelt werden. Wer sich die Geschichte ordentlich aufgeschlüsselt durchlesen möchte, Bellmann starb übrigens 2021, möge einmal ins Archiv der taz (4) klicken.

Für Karlheinz Werich-Opitz ist Kino Lebenselixier. Ganz klassisch hatte er wohl als Kartenabreißer angefangen. Im ehemaligen Filmpalast am Kurfürstendamm, heute heißt es Astor Film Lounge, wurde seine Hingabe ans Kino gefördert. 2006 hatte er die Leitung der Eva-Lichtspiele in Wilmersdorf übernommen. Und auch dem Team am Bundesplatz Kino (einst Bundesplatz Studio), Martin Erlenmaier und Peter Latta, hat er 2011 bei der Sanierung und Neueröffnung geholfen, nachdem sie das Kino vom Cosima-Betreiber Lothar Bellmann übernommen hatten. Nun also das Cosima. Wir wünschen ihm und dem Kino und dem Kiez ganz viel Erfolg.

Mit der Startwoche 6. Juli 2023 ist das Cosima (5), direkt am U- und S-Bahnhof Bundesplatz, wieder in Betrieb. Ein langgestreckter Saal, ca. 119 Sitze. Jetzt in Rot statt in Türkis. Der Film zur Wiedereröffnung wurde "Alma + Oskar" und "Die Unschärferelation der Liebe". Das Programm steht auf der Kinoseite, die allerdings noch nicht mit allen Funktionen am Start ist. In Kürze spielt das Filmtheater auch Christopher Nolans "Oppenheimer". Auf gehts.

Elisabeth Nagy


Links:
1) de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kinos_in_Berlin-Friedenau
2) www.kinokompendium.de/cosima_kino_berlin
3) www.friedenau-aktuell.de/.../sieglindestrasse/
4) taz.de/Kino-in-Friedenau/
5) www.cosima-filmtheater.de

Anzeige

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Formular-Optionen

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!